EU-Modex Übung Venedig
Von 17. bis 21. Oktober 2024 wurde eine EU Zivil- und Katastrophenschutzübung in Venedig durchgeführt. Diese finden regelmäßig im Kontext der EU-Modex (Model-Exercice) Übungen unter der Organisation des UCPM, Union Civil Protection Mechanism, statt. Ziel ist eine schnelle, koordinierte und effektive Reaktion auf Krisen sicherzustellen, sowie die Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden und internationalen Hilfsteams zu optimieren. Auch ein medizinisches Team des österreichischen Roten Kreuz war vor Ort.
Das angenommene Szenario der diesjährigen Großübung war ein Mesozyklon welcher mit einen Tornado der Kategorie EF3/EF4 auf der Enhanced Fujita-Skala, die Insel Lido der venezianischen Lagune, am 15. Oktober getroffen hatte. Spitzenwindgeschwindigkeiten von 200km/h wurden angenommen, der Radius des Tornados überstreckte ein Gebiet von einem Kilometer, das zerstörte Gebiet betrug sechzig Quadratkilometer mit einer Breite von 1-2 Kilometer und einer Länge von 30 Kilometern.
Im Kontext der Übung handelt es sich bei der Übungsregion um einen fiktiven nicht-EU Staat, um eventuelle Zoll- und Passkontrollen genau durchzuspielen. Durch das Verladen der Fahrzeuge auf die Fähre und Übersetzen, konnte man sich gut in das Szenario hineindenken.
Passend zum Übungsszenario fand unser Aufbau im strömenden Regen und einsetzender Dunkelheit statt, nach einer Stunde sollte die erste Struktur zur Versorgung möglicher Patient*innen bestehen, welche dann auch zu uns kamen. Der Aufbau der ersten Versorgungseinheit, des großen Zeltspitals und der eigenen Mannschaftszelte dauerte bis in die tiefe Nacht und den nächsten Vormittag.
Eines der Ziele der Übung war das gemeinsame Training von Urban Search and Rescue Teams und medizinischer Einheiten und die Unterstützung der Koordination der lokalen Behörden durch ein EU civil protection team. Für die Koordination der medizinischen Teams wurde durch das Gesundheitsministerium und die WHO ein EMTCC (emergency medical team coordination center) eingerichtet
Insgesamt standen drei Emergency Medical Team Typ I Einheiten aus Polen, Rumänien und Österreich zur Verfügung. Sowie Urban Search and Rescue Teams aus Spanien, Tschechien und Zypern. Zudem waren kleinere Teams aus Deutschland beteiligt. Auch die EU, UN und WHO waren mit Abgesandten vor Ort.
Das österreichische EMT 1 befindet sich gerade im Zertifizierungsprozess gemäß blue book der WHO. Aufgabe ist primär die Wiederherstellung der medizinischen Basisversorgung bei Zusammenbruch der lokalen Infrastruktur. Hierfür muss sich das EMT auch autark mit Strom, Wasser und Nahrung versorgen können.
Es stehen zwei Behandlungsplätze der Triage Kategorie I, sechs der Triage Kategorie II sowie zwei der Triagekategorie III mit angrenzendem Wartebereich zur Verfügung. Um auf mögliche Infektionskrankheiten vorbereitet zu sein, steht ein Iso-Zelt mit weiteren 6 Feldbetten zur Verfügung. Zudem verfügt das österreichische EMT über einen Kreißsaal.
Unser Team bestand aus über 40 Personen, darunter sechs Ärzt*innen, vier Hebammen, acht DGKP, sowie zwölf Notfallsanitäter*innen, der Führungsebene, Technikern und der Feldküche. Die generellen Betriebszeiten des EMT 1 beschränken sich auf 7-21 Uhr.
Im Rahmen der Übung kamen Patient*innen mit verschiedensten Bedürfnissen zu uns, vom Verlust der Dauermedikation über Genuss von verunreinigtem Wasser bis zum schwer Brandverletzten war die Spannweite groß. Eines der Highlights war sicherlich die Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Einheiten sowie die Patientenübergabe an den Notarzt Hubschrauber aus Treviso mit welchem, nach Szenario Ende, noch Zeit für einen Austausch war.
Auch zur Unterstützung anderer Einheiten rückten unsere beiden RTW aus, beispielsweise zu einer angenommen Explosion eines Gaslecks, einem Verkehrsunfall oder zum Unterstützung des Abtransports der Patienten des polnischen EMTs.
Eine besonders herausfordernde Aufgabe stellte sich uns, als Patienten*innen zu uns kamen und meldeten, das sich zirka zwanzig verletzte Personen in unwegsamen Dünengelände befinden würden.
Dieses war unweit unseres EMTs, jedoch schwierig zu erreichen. Nachdem über die Koordinationsstelle keine Hilfe durch ein USAR Team zur Verfügung gestellt werden konnte, begab sich ein Team bestehend aus einem Offizier, einer Hebamme und einer Notfallsanitäterin an die Schadensstelle um eine Sichtung sowie Erstversorgung der Patient*innen sicherzustellen. Vor Ort befanden sich achtzehn betroffene Personen, welche sich bereits zwei Tage auf den Dünen befanden, außer behelfsmäßig gespannten Tüchern war keine eigenständige Versorgung möglich gewesen. Nach einer ersten Sichtung konnten elf gehfähige und sieben nicht-gehfähige Patient*innen identifiziert werden. Durch das Team vor Ort wurden medizinische Erstmaßnahmen gesetzt, Wasser und ein zweites Team für die gehfähigen Patient*innen angefordert.
In einem „normalen“ Übungsszenario wäre hier Übungsende gewesen. Jedoch bestand die Aufgabe darin, die sieben schwerer betroffenen Personen ebenfalls zu einer Versorgungseinheit zu bringen.
Auf Grund der Katastrophenlage, war zu diesem Zeitpunkt keine Hubschrauberbergung möglich, USAR Teams nicht verfügbar und unsere eigenen Kapazitäten nicht ausreichend für einen Abtransport in unwegsamen Gelände. Gemeinsam mit den Instruktoren der EU wurde an möglichen Lösungen gearbeitet, bis uns ein einsetzender Starkregen erlöste und alle nass aber wohlbehalten zurück zum Camp gehen konnten.
Eine Videoaufarbeitung der Übung ist auf YouTube unter https://youtu.be/aiduKMGFjlE?si=gIf4m_cKilHM1ifu zu finden.
Weitere Informationen und Eindrücke unter https://10years.eu-modex.eu/.